Sonntag, 1. November 2015

Die Geschichte von Vater und Sohn! Für meinen Vater Helmut Ruge

Die Geschichte von Vater und Sohn!
Für meinen Vater Helmut Ruge

 
Vor einem Jahr im Oktober war der Dialog plötzlich unterbrochen, der lange Dialog mit meinem Vater, der so unzählbar oft statt fand, durch alle Jahreszeiten hindurch, weil Helmut immer Hunger hatte nach Austausch, schon als ganz kleines Kind kam er in mein Kinderzimmer und sagte: „darf ich Dir meinen Text vorlesen ?“, den er gerade geschrieben hatte, für die Bühne oder für´s Fernsehen, und so ging der Dialog weiter, am Küchentisch, auf dem Fahrrad, beim Griechen an der Ecke und weiter, als ich irgendwann von ihm zum Haus und Hofkomponisten, Regisseur und Psychologen seiner Soloprogramme ernannt wurde,

und plötzlich vor einem Jahr im Oktober, war die Stimme verstummt,

unsere Geschichte war unterbrochen,  das Orchester hatte plötzlich aufgehört zu Spielen, aber die Symphonie wuchs unter dem Boden weiter, wie im Wald, nur leiser,  weil die Geschichte , die mein Vater mir erzählt hat, mein ganzes Leben lang erzählt hat, plötzlich wiedererklang, als ich in meinem Kopf alle Geschäftigkeiten anhielt, und alles an Terminen absagte, was diese Musik zu übertönen wagte und dann erklang unsere ganze Geschichte auf einmal, in mir, und sie ist nicht zu Ende, wie eine Geige, die eine verträumte Strassenmelodie in einem Film von Fellini zum Klingen bringt, eine kleine Melodie, die Alles verspricht,  wie die vebeulte Trompete eines Clowns und Jeder kann sie Hören, Jeder, der seine Ohren öffnet, das Fenster aufmacht, zur Poesie, sie hört ,die geheimnisvolle Geschichte des fragenden, staunenden und wundernden, sich räkelnden Herzens, die Geschichte, die wir uns Allen ständig aufs Neue gegenseitig erzählen wollen, die wir lebendig Halten Müssen, wie das Feuer, um das wir uns Versammeln, das uns wärmt, um das wir zusammenkommen und in dem unsere Gesichter scheinen, leuchten in der Nacht, mein Vater hat mir diese Geschichte erzählt, uns, er hat zugehört, er war ein Geschichtenerzähler, er hat den Geschichten der Menschen zugehört, 

dem Lodern des Herzens gelauscht, sich daran berauscht, wie an einem gehaltvollen Rotwein, aus dem Fass der Geschichten, er hat das Feuer gehütet, das Vergessene Feuer, seine Glut, sie neu entfacht, und erzählt, erzählt, erzählt, mit seinen eigenen Worten, unaufhörlich und geradezu rastlos, 

wie seine Feder unzählige Blätter Füllte, bis zum Schluss sass er an seinem Schreibtisch, auch am Morgen, als er auf plötzlich auf die Intensivstation kam, denn er war in seinem Leben immer begierig auf immer neue Geschichten und begierig diese Geschichten weiter zu erzählen, von Menschen, die er unterwegs traf und denen er zu hörte, auf dass Alle Anderen von diesen Geschichten erfahren,



Er war begierig sie zu mitzuteilen, aufzuschreiben an seinem getreuen Schreibtisch, um mit seinem Schreibtisch zusammen selber Geschichte zu Schreiben, um an unserer gemeinsamen Geschichte mitzuschreiben, von der er uns immer wieder erzählt hat, die davon handelt, dass wir uns unsere Geschichte selber Schreiben können, Jeden Tag, miteinander, leidenschaftlich in der Harmonie und im Streit,

im Wachen und im Träumen, indem wir sie uns immer und immer wieder erzählen, schaun, wie sie weitergeht, nicht in der Routine steckenbleiben, nicht in den Floskeln erstarrren sondern die Schrift, die Tinte des Poeten weiterfliessen lassen, rennen lassen ins Leben hinein, wie das Blut das unser Herz in unsere Adern, unsere  Glieder, Hände und Beine pumpt, uns belebt, Dich und Mich,

neugierig wie ein Kind, ganz aufgeregt, von unserer eigenen Geschichte, in ihr weitergehen wollen, in ein stets und immer wieder neues, lockendes, buntes, fröhliches  Kapitel, und jedes Kapitel ist voll von Abenteuern und unzähligen ungelösten Rätseln, und Liebesgeschichten, die noch keiner kennt, es liegt an uns, jetzt seine Geschichte, die Geschichte meines Vaters, die kleine große wunderbare Geschichte, die von uns handelt weiterzuerzählen!






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